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Finanzielle Risiken erkennen: Scope der Financial Due Diligence

Advisory

Im Rahmen einer Financial Due Diligence (FDD) ist die präzise Definition des Untersuchungsumfangs (engl. Scope) sowie die Identifikation zentraler Analysebereiche von entscheidender Bedeutung. Die Analysen zur Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), Bilanz und Cash-Flow haben maßgeblichen Einfluss auf die Transaktionsentscheidung und auf die Kaufpreisermittlung. Der Scope einer FDD wird durch die Art und Größe der Zielgesellschaft/-konzern („Target“), die Verfügbarkeit und Qualität der relevanten Daten sowie die spezifischen Anforderungen und zeitlichen Rahmenbedingungen des Mandanten bestimmt. Der Untersuchungsumfang wird im Angebot festgelegt und kann im Verlauf des Prozesses bei Bedarf angepasst werden. Ein grundlegendes Verständnis der Gesellschaftsstruktur, des Geschäftsmodells sowie des (Dienst-)Leistungsangebots des Targets ist entscheidend, um relevante Risikobereiche identifizieren und die Analyseschwerpunkte gezielt festlegen zu können. In enger Abstimmung mit dem Mandanten wird zudem die Art der FDD definiert (Full Scope, Selective Focus, Red Flag). Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich vor allem auf Mandatsverhältnisse und FDD-Prüfungen im Private Equity Bereich.

Gesellschaftsstruktur, Geschäftstätigkeit und Rechnungswesen
Die Gesellschaftsstruktur wird dargestellt und daraus resultierende Risiken identifiziert. Hierzu zählen beispielsweise Verrechnungspreisthemen, Zwischengewinne oder auch gesellschaftsrechtliche Probleme (z.B. beschränkte Möglichkeiten Gewinne im Ausland an die Muttergesellschaft auszuschütten). Auch Geschäftsbeziehungen mit den Gesellschaftern oder diesen nahestehenden Personen und Unternehmen sind abzufragen und zu beurteilen. Die Geschäftstätigkeit des Unternehmens wird hinsichtlich seines (Dienst-)Leistungsangebots sowie der wichtigsten Fakten kurz skizziert. Von besonderer Bedeutung ist die genaue Analyse und Beschreibung des Rechnungswesens und des Controllings, da die Ergebnisse der FDD auch von der vorgelegten Datenqualität abhängig sind. Daneben dient die Analyse auch zur Einschätzung etwaiger notwendiger Post-Merger Maßnahmen, wie der Aufbau weiterer Ressourcen oder die Integration in das Rechnungswesen einer bestehenden Gruppe. Etwaige im Rahmen der Due Diligence festgestellte Mängel im Rechnungswesen werden in diesem Abschnitt transparent dargestellt. 

Quality of Earnings
Die Untersuchung der Quality of Earnings (QoE) stellt einen zentralen Bestandteil einer jeden FDD dar, durch die das nachhaltige EBIT(DA) der letzten drei Geschäftsjahre sowie des letzten verfügbaren Monats, im Rahmen einer Current Trading Analyse, ermittelt wird. Zur Ableitung des nachhaltigen EBIT(DA) werden außerordentliche Geschäftsvorfälle identifiziert und normalisiert.

Im Rahmen der QoE werden ausgewählte Top-Line-Analysen aufgenommen, die üblicherweise die Umsatzentwicklung nach Geschäftsbereichen und Regionen abbilden. Zudem erfolgt häufig eine Auswertung der umsatzstärksten Kunden zur Erkennung möglicher Abhängigkeiten sowie eine unterjährige Betrachtung der Erlöse, um saisonale Schwankungen sichtbar zu machen.

Je nach Anforderungsprofil und Verfügbarkeit der Daten können auch weiterführende Analysen durchgeführt werden. Dazu gehören Untersuchungen der Deckungsbeiträge und Rohmarge, um die Rentabilität einzelner Produkte oder Dienstleistungen zu bewerten. Analysen von Preis-Mengen-Gerüsten zeigen, worauf die Rohertragsentwicklung zurückzuführen ist (Preis oder Absatz getrieben) und wo Potenziale zur Optimierung von Preisen und Absatzmengen bestehen. Zudem können die unterjährigen Auftragseingänge und -bestände betrachtet werden, um wertvolle Einblicke in die aktuelle wirtschaftliche Lage und Nachfrageentwicklung des Targets zu erhalten. Dies hilft insbesondere dabei, den Forecasts zu verifizieren und Entwicklungen im Current Trading zu validieren. Durch eine Kohortenanalyse lassen sich Kunden nach gemeinsamen Merkmalen wie Jahrgängen und Produkten gruppieren, um das Verhalten bzw. die Entwicklung von Bestands- und Neukunden im Beobachtungszeitraum zu analysieren. In Abgrenzung zur Commercial Due Diligence gehören Markt- und Wettbewerbsanalysen in der Regel nicht zum Gegenstand einer Financial Due Diligence.

Analysen des Materialaufwands korrelieren teilweise eng mit der Umsatzanalyse und entsprechenden Deckungsbeitragsberechnungen. Daneben wird ein Fokus auf die Identifizierung der größten und wichtigsten Lieferanten gelegt, um potenzielle Single Source Risiken aufzeigen zu können.

Die Ermittlung der nachhaltigen Personalaufwendungen zeigt, wie sich im Betrachtungszeitraum Gehälter von Angestellten (ggfs. nach Abteilung) und der Geschäftsführung entwickelt haben. Gegenstand weiterer Analysen ist, ob nicht marktübliche Gehälter (z.B. an nahestehende Personen oder Gesellschafter-Geschäftsführer) gezahlt werden oder außerordentliche Personalabbau oder -aufbau Maßnahmen durchgeführt wurden. Bei Zielunternehmen in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG ist die Gesellschafter-Geschäftsführervergütung fiktiv einzurechnen (adjustieren), da der Personalaufwand diese i.d.R. nicht enthält (Vergütung über Entnahme).

Zur Analyse der QoE werden die sonstigen betrieblichen Aufwendungen klassischerweise detaillierter in einzelne Kostenblöcke aufgegliedert und anschließend um außerordentliche Geschäftsvorfälle bereinigt. Analog dazu erfolgt ebenfalls die Analyse der sonstigen betrieblichen Erträge. In beiden Fällen ist es das Ziel, außerordentliche bzw. nicht nachhaltige Aufwendungen oder Erträge zu identifizieren

Bilanz, (Trade) Working Capital, Net Debt und Cash-Flow
Im Rahmen der Analyse der Bilanzpositionen erfolgt eine Aufbereitung und Erläuterung der Bilanzen zu den jeweiligen Stichtagen der letzten drei Geschäftsjahre und zum letzten verfügbaren unterjährigen Stichtag. 
Das übergeordnete Ziel ist die Identifizierung von Cash- und Debt-like Items um das Net Debt (Nettofinanzverschuldung) zu ermitteln und die Zuordnung und Analyse von Working Capital Items zur Ermittlung der betriebsnotwendigen Liquidität. 

Hierfür werden einzelne Bilanzpositionen wie die sonstigen Vermögensgegenstände, Rückstellungen und Verbindlichkeiten tiefergehend aufgliedert und entsprechend als Working Capital, Cash- oder Debt-Item klassifiziert. 

Im Rahmen der Working Capital Analyse werden vor allem die Vorräte, die Forderungen und Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen untersucht. Das Vorratsvermögen wird mit Blick auf Bewertung und Zusammensetzung analysiert, die Forderungen aus Lieferungen und Leistungen werden hinsichtlich der Altersstruktur, Werthaltigkeit und Zusammensetzung geprüft. Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen können Hinweise auf das Zahlungsverhalten des Targets liefern. Außerdem können hier Verbindlichkeiten aus der Beschaffung von Anlagegütern (sogenannte Capex Kreditoren) oder außerordentliche Posten enthalten sein, die ggfs. als Debt-Item direkt vom Kaufpreis abgezogen werden sollten.

Wesentlicher Bestandteil der Working Capital Analyse ist die Darstellung der unterjährigen Entwicklung und Ableitung eines durchschnittlichen Niveaus, da die reine Stichtagsbetrachtung (z.B. zum Bilanzstichtag) stark durch saisonale Effekte oder Bilanzpolitik beeinflusst sein kann. Daher ist die Ermittlung eines Working Capital Adjustments (Differenz des Working Capitals am Stichtag zum Durchschnitt bzw. nachhaltigem Niveau) wichtiger Bestandteil des Scopes im Rahmen einer FDD.

Im Rahmen der Ermittlung des Net Debt (Nettofinanzverschuldung) des Targets erfolgt eine Gegenüberstellung aller Cash- und Debt(-like) Items. Die Analyse ist relevant, um für die Kaufpreisberechnung den Input zur Equity Bridge zu liefern. Neben der reinen Identifikation der bilanziellen Positionen kann im Rahmen des Scopes eine tiefergehende Analyse vereinbart werden. Dies beinhaltet beispielsweise die Aufstellung von Vertragsmodalitäten von Krediten (Laufzeiten, Zinsen, Tilgung, etc.), tiefergehende Analyse von Leasingverbindlichkeiten oder Bewertung von Pensionsverpflichtungen (da die bilanzielle Darstellung nicht zwangsläufig der realen Verpflichtung entspricht).

Der Scope einer FDD umfasst üblicherweise auch die Abfrage von außerbilanziellen Verpflichtungen und die Identifikation von anderen kaufpreisrelevanten Themen. Potenzielle Risiken liegen hier u.a. in einem nicht frei verfügbaren Kasse-/Bankbestand, Exit-Boni-Zahlungen die im Rahmen der Transaktion vom Target (und damit letztlich vom Käufer) getragen werden oder Steuern, die durch die Transaktion ausgelöst werden (z.B. Grunderwerbsteuer). Als weitere Beispiele sind der Capex-Backlog, Einmalkosten für die Verbesserung des Rechnungswesens/Controlling, aber auch Tax Assets (z.B. bei der KG als Target) zu nennen.

Die Analyse des Cash-Flows hilft bei der Bewertung, inwieweit das Unternehmen aus dem laufenden operativen Betrieb seinen Tilgungsverpflichtungen (oder auch der Tilgung von Akquisitionsdarlehen nach Transaktion) nachkommen kann. Der Cash-Flow wird demnach aufgeteilt in einen Cash-Flow aus der laufenden Geschäftstätigkeit, einen Cash-Flow aus der Investitionstätigkeit und einen Cash-Flow aus der Finanzierungstätigkeit. Üblicherweise wird neben dem reported Cash-Flow der adjustierte Free Cash Flow analysiert.

Business Plan
Der Business Plan – bestehend aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie Cash-Flow Rechnung – wird in der Regel vom Target erstellt und im Rahmen der Financial Due Diligence kritisch hinterfragt. Dabei werden insbesondere die zugrunde liegenden Annahmen auf ihre Nachvollziehbarkeit hin überprüft. Hierzu werden die Erkenntnisse aus der Analyse der Historie hinzugezogen. Außerdem werden entsprechende Planungsmodelle auf ihre rechnerische Richtigkeit geprüft. Da viele Business Pläne in Abhängigkeit der Umsatzentwicklung geplant werden, ist ein enger Austausch mit anderen Work Streams (vor allem Commercial Due Diligence) erforderlich.  

Fazit
Der Scope einer Financial Due Diligence wird in Abstimmung mit dem Mandanten und in Abhängigkeit der erwarteten Risiken eines Targets erstellt. 

Übergeordnete Risiken können sich aus dem Geschäftsfeld, der Unternehmensstruktur und der Organisation (insbesondere Qualität des Rechnungswesens) ergeben.  In diesem Kontext ist im Scope festzulegen, welche Analysen durchzuführen sind. Ein präzise definierter und auf die Risikofelder des Targets angepasster Scope ermöglicht eine effiziente Identifikation und Beurteilung etwaiger finanzieller Risiken einer geplanten Transaktion.

Daneben ist der Scope so zu definieren, dass alle Parameter, die zur Bewertung des Unternehmens benötigt werden (z.B. nachhaltiges EBITDA, Working Capital Adjustment, Nettofinanzverschuldung) abgedeckt sind. Die konkrete Analyse der Jahresabschlüsse, vor allem der Bilanz, der Gewinn- und Verlustrechnung sowie der Cash-Flow-Rechnung, soll eine Einschätzung zur nachhaltigen Ertragskraft ermöglichen und zur Identifizierung weiterer kaufpreisrelevanter Themen dienen. Im Falle eines positiven Ergebnisses der Due Diligence können die Erkenntnisse für weitere Kaufpreisverhandlungen unmittelbar genutzt werden und als Entscheidungshilfe für weitere Schritte in der Post-Merger Integration herangezogen werden.

Mit einem maßgeschneiderten Scope kann die Due Diligence effizient und zielgerichtet durchgeführt und der Transaktionsprozess beschleunigt werden. Risiken werden frühzeitig erkannt und Fehlinvestitionen vermieden.

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